Leseprobe: Fiona – Traumtanz – Die Kristallwelten-Saga 13

Der alte Drache hält kurz inne. Er wirkt erschöpft. Kein Wunder. Wir sind es auch. Ich jedenfalls. Was von der ganzen Geschichte kann ich überhaupt glauben? Geht es darin wirklich um die Drachenkind, die ich kenne? Und was soll die Scheiße mit dem startenden Universum? Hallo?
Bermesoel sieht mich an. „Du fragst dich sicherlich, ob es wahr ist, was ich euch erzählt habe. Nun, nicht alles. Nicht ich war der Drachenkönig, dem Drachenkind begegnet ist, sondern der erste Drachenkönig. Drachenkind hat mit ihm den Traumtanz getanzt und damit das Universum in Gang gesetzt. Sie blieb eine ganze Weile bei ihm, doch eines Tages war sie verschwunden. Der alte Drachenkönig wartete einige Jahrtausende auf sie, doch irgendwann verschwand auch er. Niemand weiß bis heute, was mit ihm geschehen ist.“
„Wieso ist Drachenkind verschwunden?“, fragt Margret.
„Engelkind hat sie zu sich geholt. Die Drachenkind, die ihr kennt, ist nicht die Drachenkind, die gegen den Schwarzen Riesen gekämpft hat. Sie hat Macht und Verantwortung bekommen, denn sie ist in gewisser Weise die Mutter des Universums.“
Fuck! Und ich habe ihren Vater getötet!
„Wenn ich das richtig sehe, haben die Drachen den Schwarzen Riesen aber nicht getötet“, bemerkt Katharina.
„Er konnte entkommen. Er wollte in den Kernel, um einen Formator zu stehlen, doch Dargk hat ihn abgefangen und in seinem eigenen Schloss, dem Schwarzen Schloss, eingesperrt.“
„Und Dargk hat darin gelebt?“ Sarah wirkt ernsthaft erschüttert.
„Zumindest bis ihn die Noispeds aufgespürt und getötet haben“, nickt Bermesoel.
„Und dann hat Fiona den Schwarzen Riesen, der Drachenkinds Vater ist, endgültig getötet?“ Katharina versucht auch, das Gehörte zu verarbeiten.
„So ist es“, bestätigt Bermesoel.
Katharina blickt mich an.
„Was?!“
„Ich bin noch am Sortieren und Verdauen, mein Schatz“, erwidert sie.
„Du auch?“
Sie nickt. Ich erhebe mich und wandere im Saal herum. Bis auf Katharina beobachten mich alle. Katharina schließt sich mir an.
„Das Ganze hört sich nach einem Psychodrama an. Oder einer Traumreise“, sagt sie.
„Oder nach der Verborgenen Welt und Logouts.“
„Oder das. Aber vor dem erstmaligen Start des Universums?“
„Jetzt gibt es die Verborgene Welt ja auch. Und wir wissen nicht, was darin alles existiert.“
„Drachenkind sagte, nur die Drachen.“
„Warum sollten wir ihr glauben?“, frage ich.
„Auch wieder wahr. Jedenfalls gibt es einige Verbindungen zwischen euch. Wie es aussieht, habt ihr mehr miteinander zu tun, als wir dachten.“
„Zum Beispiel?“, erkundige ich mich, obwohl ich es genau weiß.
„Zum Beispiel hast du das vollendet, was sie angefangen hat: Du hast ihren Vater getötet. Zum Beispiel wurdet ihr beide sinnlos gefoltert. Scheinbar sinnlos, um genau zu sein. Zum Beispiel seid ihr beide Auserwählte. Zum Beispiel habt ihr beide einen eigenen Drachen.“
„Das hat Sarah auch.“
„Ja, das ist durchaus ein interessanter Aspekt. Es gibt einen weiteren Punkt, den ihr mit Sarah teilt: die problematische Beziehung zum Vater. Und ihr habt sie alle irgendwie gelöst. Wobei Sarah und Drachenkind eine ähnliche Strategie verfolgt haben.“
„Ich habe auch mal daran gedacht“, erwidere ich finster.
„Das wundert mich nicht.“
„Okay, nachdem wir das geklärt haben, sollten wir uns jetzt dem dringendsten Problem zuwenden.“
„Dem Traumtanz.“
„Genau.“
Wir kehren zurück zu den Anderen, die uns neugierig beobachten.
„Habt ihr einen genialen Plan ausgetüftelt?“, erkundigt sich Margret.
„Natürlich. Wir holen Visz, machen Korlon daraus und spielen auf zum Traumtanz. Was hast du denn gedacht?“
Sie schüttelt nur den Kopf, sagt aber nichts. Katharina lacht kurz auf.
„Im Prinzip genau so“, sagt sie dann. „Wir wissen ja, wo wir Visz finden.“
„Oh nein, nicht schon wieder!“, stöhnt Ona.
„Musst ja nicht mitkommen“, erwidere ich.
„Jemand muss auf euch aufpassen.“
„So ist es“, gebe ich zu. „Also schön, mal angenommen, wir kommen irgendwie an Visz dran, dann haben wir immer noch kein Korlon.“ Ich schaue Bermesoel an. „Wer kann Korlon aus Visz machen?“
„Drachenkind“, antwortet er.
„Geil!“, ruft Ona. „Deswegen hat sie ja uns geschickt! Oh Mann!“
Ich mustere sie. Dass Drachenkind uns helfen würde, ist in der Tat sehr unwahrscheinlich. Aber vielleicht gibt es jemanden, der das ebenfalls kann und uns unter Umständen helfen würde. Sicher ist das nicht, aber einen Versuch wäre es wert.
„Du hast eine Idee, mein Schatz?“, fragt Katharina.
„Ja, eine Idee. Aber erst einmal müssen wir Visz besorgen, und mir ist keine andere Quelle als die Drehwelt bekannt, selbst wenn Ona dann durchdreht.“
„Ich werde mich beherrschen“, sagt sie. „Zumindest versuche ich es.“
„Es gibt keinen Versuch“, erwidert Margret schnell. „Tue es oder tue es nicht!“
„War ja klar“, stöhnt Sarah.
„Die Macht ist stark in mir“, sagt Ona. „Ich schaff das.“
„Hoffen wir es“, nickt Katharina. „Okay, mein Schatz, wir haben Visz. Und was dann?“
„Arkan“, antworte ich.
„Arkan?“, wiederholt sie.
„Genial!“, ruft Ona. „Aber nur, wenn wir Lea dabei haben!“
Ich muss lachen, sie hat recht. Natürlich nicht wirklich, ich hoffe, dass wir ihn auch ohne Lea überzeugen können, uns zu helfen.
„Ihr seid wahnsinnig“, stellt Sarah fest. „Warum sollte er uns denn helfen?“
„Um Drachenkind zu helfen?“, schlage ich vor.
„Hm“, sagt Sarah.
„Sehen wir es doch mal andersherum“, erwidere ich. „Haben wir irgendeine andere Möglichkeit?“
„Wer genau ist Arkan nochmal?“, erkundigt sich Margret in die entstandene Stille hinein.
„Ein Drache“, antwortet Thomas. „Außerdem in der Götterwelt, in der ich gelandet war, eine Art Übergott.“
„Mehr als das“, bemerke ich. „In jeder der Welten im anderen Universum gibt es eine Art Superwesen. In der Drehwelt habt ihr ja den Ersten Zauberer kennengelernt. In der Spinnenwelt ist es die Super-Königin, die Spinne der Spinnen. In der Welt darunter war es Szoki, dann Ona, jetzt weiß ich es auch nicht, in der vierten Welt der Sukumo und noch über ihm Arkan, der erste Miko und der Schöpfer der Verborgenen Welt des Universums. Und er bewacht den Übergang in die fünfte Welt. Die ist ja ein bisschen anders. Jedenfalls, schon daraus, dass er sich für die Verborgene Welt jenes Universums verantwortlich zeigt, folgt, dass er mehr als nur der Übergott der vierten Welt ist.“
„Stimmt“, sagt Thomas und nickt.
„Er hat für mich eher die Rolle wie Drachenkind in unserem Universum, und deswegen glaube ich, dass er durchaus geneigt sein könnte, uns zu helfen.“
„Und auch in der Lage“, ergänzt Katharina.
„Ja, das auch. Ein ganz wichtiger Punkt.“
„Also müssen wir zu ihm“, stellt Halpha fest.
„Jaaa.“ Ona sieht nicht sehr glücklich aus. „Ich hoffe bloß, wir müssen nicht durch die fünfte Welt.“
„Das hoffe ich auch“, erwidere ich. „Auch wenn mein Bauch mir sagt, dass wir auch diese Welt wiedersehen werden. Früher oder später.“
„Lieber später!“
Das sehen wir alle so wie Ona.
„Okay, also nicht durch die fünfte Welt“, sagt Katharina. „Schon allein, weil wir keine Ahnung haben, wie wir von hier dorthin gelangen.“
„Wie seid ihr denn hierher gekommen?“, fragt John.
„Drachenkind hat uns hierher gebracht. Nachdem wir Garoan in die Kopie vom Haus meiner Eltern gebracht haben und wir kurz davor waren, von der Polizei erschossen zu werden, hat sie alles angehalten. Garoan und Katharina waren da schon längst nicht mehr bei Bewusstsein, auch ich wurde plötzlich sehr müde, und als ich zu mir kam, lag ich im Bett auf Newope II. Ich denke, einen direkten Übergang gibt es gar nicht und der einzige Weg in die fünfte Welt durch den Tunnel führt, auf dem Arkan sitzt.“
„Hm“, sagt Ona. „Da ist was dran. Also müssen wir in die Götterwelt. Na toll.“
„Leute“, meldet sich Nidea, „Leute, denkt ihr auch daran, dass wir keine Ahnung haben, wo sich in diesem Universum ein Ewiger Turm befindet? Das heißt, eigentlich gibt es hier noch gar keinen.“
Das ist in der Tat ein Problem.
„Was ist eigentlich mit den Wurzeln?“, fragt Sam plötzlich. „Sind die nicht in der Verborgenen Welt das, was der Ewige Turm in der Gefrorenen Welt?“
„Doch“, antwortet Ryema. „Aber im Ewigen Turm gibt es die Gottesgänge, die Verbindungen zwischen den Universen.“
„Und die Wurzeln haben so was nicht? Wie soll das gehen?“
Damit hat sie recht. Eigentlich müssen auch die Wurzeln verschiedener Universen irgendwie miteinander verbunden sein. Die Gefrorene Welt ist nur ein Teil der Verborgenen Welt. War. Wird sein. Und der Ewige Turm sozusagen nur die materielle Erscheinung der Wurzeln.
„Wir sollten Drohnen entlang der Wurzeln fliegen lassen“, schlägt Halpha vor. „Wenn es eine Verbindung gibt, finden diese sie.“
Da wir sonst keine Idee haben, beschließen wir, zum Raumschiff zurückzukehren. Bermesoel gibt mir eine Ampulle, als wir uns verabschieden wollen.
„Für das Korlon“, sagt er. „Darin könnt ihr es problemlos zu mir bringen und ich kann es direkt daraus trinken.“
Ich stecke die Ampulle ein und wir begeben uns auf die Fähre. Sam fliegt sie durch die Höhle und ins Raumschiff. Halpha springt als Erste aus der Fähre und rennt auf die Brücke, um die Drohnen loszuschicken.
Katharina und ich suchen die Kinder. Sie sind mit Siana und Mauka im Schwimmbad und haben es noch gar nicht mitbekommen, dass wir wieder da sind. Kurzentschlossen ziehen wir uns auch Badeanzüge an und gesellen uns zu ihnen. Siana und Mauka sind natürlich sehr neugierig. Ich überlasse es Katharina, ihnen zu berichten und gehe mit Lea und Kian auf die Rutsche. Ich brauche jetzt dringend eine Ablenkung, sonst drehe ich durch.