Leseprobe: Fiona – Morgendämmerung (Die Kristallwelten-Saga 15)

„Cool!“, ruft Sam. „Dämonenschießen! Da will ich hin!“
Sie rennt los, die Kids mit ihr und wir folgen ihnen etwas langsamer.
„Hier könnte man ja Tage … Ach was, Wochen, Monate verbringen!“, stellt Margret fest.
„Und haben nur Stunden.“ Ich blicke Napoleon an, der links neben mir steht, da ich den rechten Arm immer noch um Katharinas Schultern habe. „Kannst du uns denn auch Bescheid geben, wenn wir uns trennen?“
„Selbstverständlich. Ich bin mit dem System verbunden und lasse euch informieren, wo auch immer ihr seid.“
„Das ist sehr gut, denn ich habe ganz sicher keinen Bock auf Dämonenschießen.“
„Hallo Fiona.“
Ich erstarre. Alles in mir, an mir erstarrt. Ich spüre, dass sämtliches Blut aus meinem Gesicht weicht und bin froh, mich an Katharina festhalten zu können. Sie wird allerdings auch ganz steif. Also hat sie die Stimme ebenfalls erkannt. Sie hat sie nicht so oft gehört wie ich, aber immer noch oft genug.
Ich drehe mich langsam um. Er steht nun vor mir, etwa drei Meter entfernt. In einem perfekt sitzenden schwarzen Anzug, weißem Hemd, Krawatte. Blank polierte, schwarze Schuhe. Beide Hände in den Hosentaschen.
Er beobachtet mich.
„Wer bist du?“, flüstere ich. „Du kannst unmöglich echt sein!“
„Wieso nicht? Das hier ist die Verborgene Welt.“
„Eben!“
„Ich bin echt und habe hier auf dich gewartet.“
„Was?“
„Du hast mir erzählt, dass du, vielmehr deine Klone, in Somnita warst und habe mir eine gewisse Wahrscheinlichkeit ausgerechnet, dass du wieder hier auftauchst. Vorhin wurde ich informiert, dass du hier bist, und habe euren Digist angewiesen, euch hierher zu führen.“
„Wieso hierher?“
„Weil dieses Vergnügungszentrum mir gehört.“
Ich starre ihn fassungslos an.
„Fiona, ich bin echt. Ich bin der, der zusammen mit Sandra und Danny in unserem Haus gestorben ist. Allerdings kenne ich bis heute den Hintergrund nicht.“
Jetzt wird mir schlecht. Katharina und Napoleon fangen mich auf, dann ist auch James da. Ich höre, wie er sagt, dass sie mich in sein Büro bringen sollen. Das Nächste, was ich einigermaßen klar wahrnehme, ist, dass ich auf einer Couch sitze. Katharina neben mir. Kian steht vor mir und sieht mich aus großen Augen erschrocken an.
„Mama!“
Wie in Trance ziehe ich ihn auf meinen Schoß, dann blicke ich mich um. Alle sind da, selbst Sam ist nicht auf Dämonenjagd gegangen.
„Wenn du wirklich James Flame bist, musst du mich kennen“, höre ich Margret.
„Natürlich kenne ich meine Nichte. Auch wenn es mich wundert, dich in diesem Kreis zu sehen. Ich kenne nicht alle, aber es sind einige Krieger dabei. Katharina ist ein Halbdämon. Und ich gehe davon aus, dass alle anderen über ähnliche Fähigkeiten verfügen wie Krieger.“
„Ich auch“, antwortet Margret. „Fiona hat mich ausgebildet.“
„Faszinierend“, sagt James. „Warum?“
Margret atmet tief durch. Ich höre sie nur, ich sehe sie nicht, denn ich starre wie betäubt vor mich hin. Das kann alles nur ein schlechter Traum sein. Der schlimmste Albtraum meines Lebens.
„Das ist eine lange Geschichte“, sagt Margret. „In gewisser Weise hat es auch damit zu tun, warum … ihr … getötet wurdet.“
„Hm. Auch mit Fionas Sohn? Ich weiß, dass in der Verborgenen Welt die Zeit anders verläuft, dennoch verwirrt mich sein Alter.“
„Jaaa … Das ist kompliziert.“
Ich blicke hoch und starre James an, der jetzt eine Augenbraue hoch zieht. Mindestens einen Millimeter. Okay, er muss echt sein.
„Das Universum war über vier Jahre gelöscht, in denen Katharina, Sarah, Thomas und ich weitergelebt haben“, sage ich tonlos.
„Wo?“
„In einem anderen Universum. Ohne Erinnerungen. Wir kannten nicht einmal unsere Namen.“
„Und wieso sind wir hier?“
„Wir erledigen Aufgaben und dafür wird das Universum nach und nach restartet. Fehlt nur noch die Gefrorene Welt.“
„Das erklärt manches.“
„James …“
„Fiona?“
„Es tut mir so leid …“
„Was genau?“ Woher kenne ich diesen Satz?
„Dass ihr meinetwegen sterben musstet.“ Die Tränen schießen aus meinen Augen, aber ich rühre mich nicht.
„Hast du den Auftrag dazu gegeben?“
„Nein. Es war die Rache für Anne Marie.“
„Zanda hat wirklich geglaubt, dass du sie getötet hast?“
„Ja. Aber es steckte noch viel mehr dahinter. Und vor allem war es Garoan.“
„Der Zauberer, der euch foltern ließ?“
Ich nicke langsam. Die Tränen tropfen von meinem Gesicht, doch das ist mir egal. Kian starrt mich an. Dann Katharina, die daraufhin versucht, mit ihren Ärmeln mein Gesicht abzuwischen.
„Ich gehe davon aus, dass nicht sie der Vater des Jungen ist.“
„Das … das ist wahr.“ Etwas in seiner Stimme irritiert mich. „Du … du wusstest davon?“
„Natürlich.“
„Seit wann?“
„Vermutet habe ich es sofort nach eurem Abenteuer bei den Cuculus, vor allem, weil ihr keinen Kontakt mehr zueinander hattet. Und als sie dann wieder auftauchte, war es für mich eindeutig.“
„James, ich …“
„Warte. Ich bin dir nicht böse. Ich gehe zu deinen Gunsten davon aus, dass ihr erst nach meinem Tod wieder eine Beziehung angefangen habt.“
„Das … das stimmt auch. Sie hat mich aufgefangen.“
James nickt. „Das ist gut. Und dein Sohn?“
„Als wir ohne Erinnerungen im anderen Universum waren, waren wir auch getrennt.“ Meine Stimme hört sich an, als wäre sie gar nicht von mir. „Ich musste ganz unten anfangen, wortwörtlich. Lebte im Wald. Irgendwann lernte ich Askan kennen, wir verliebten uns, heirateten, bekamen ein Kind. Dann wurde er getötet und als ich versuchte, seine Seele zu finden, geriet ich in einen Ewigen Turm und erinnerte mich wieder an alles.“
„Hm. Das war für deine Verhältnisse ungewöhnlich kurzgefasst.“
Ona lacht auf. „Tut mir leid“, sagt sie dann schnell. „Aber das habe ich auch gerade gedacht.“
„Und wer bist du?“
„Ich bin aus dem anderen Universum, allerdings nicht aus der Welt, in der Fiona Königin wurde.“
„Königin?“ James sieht mich fragend an.
Ich atme tief durch.
„Mein Vater war der König von Marbutan und meine Mutter ist es noch. Ich meine, sie ist die Königin.“
James lächelt ansatzweise, als er Kian ansieht. „Demnach bist du der Kronprinz.“
„Ja. Und Mama hat mir gesagt, ich hatte eine Schwester.“
„Das stimmt“, nickt James. „Willst du sie kennenlernen?“
Ich dachte ernsthaft, ich könnte mich nicht noch schlimmer fühlen, werde aber gerade eines Besseren belehrt.
„Sie ist hier?“, flüstere ich.
James nickt, holt ein Handy hervor und spricht kurz mit jemandem.
„Du sollst atmen!“, sagt Katharina.
„Was?“
„Du hast einfach aufgehört zu atmen! Auch wenn wir in der Verborgenen Welt sind und du unsterblich bist, sollst du trotzdem atmen, verdammt nochmal!“