Leseprobe: Eine Reise ins Licht

Eine Reise ins Licht

Indigor fühlte sich frei, so frei wie er sich schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Es gab keine Grenzen um ihn herum, nicht mal einen Körper, der ihn einengte, schien es zu geben. Er konnte sich ausbreiten und ausdehnen, wohin er wollte. Um ihn herum gab es nur Unendlichkeit und er schien ein Teil davon zu sein. Überall war Wärme und eine große und unendliche Liebe, wie er es zuvor noch nie gespürt hatte. Oder doch, aber dies war in einer anderen Welt. Es war dort, wo alles herkommt und wohin alles geht.

Er hörte Musik, die so wunderschön war, aber sie schien sich nicht in Melodien ordnen zu lassen. Sie hatte eine so unendliche Vielfalt an Variationen. Man hätte sie nicht in Noten zu Papier bringen können. Er selbst trug seine Umgebung und sich selbst mit. Alles war eins: Wärme, Melodie und unendliche Liebe.

Dann fühlte er sich plötzlich dieser Harmonie entrissen und eingeengt in einem kleinen Körper, umgeben von Wasser. Er fühlte sich hilflos und zugleich geborgen. Dieser Körper schien unaufhörlich irgendwelche Bedürfnisse zu haben, und er selbst versuchte ständig Raum in diesem Körper zu erlangen, aber nur sehr langsam schien ihm das gelingen zu wollen. Dann, nach einiger Zeit, begann es um ihn herum zu beben und es wurde immer ungemütlicher. Sein eh schon kleiner Körper wurde durch einen engen Tunnel gepresst, und zum ersten Mal hatte er dieses unsägliche Gefühl, was ihn noch so oft in seinem gerade erst begonnenen Leben begegnen sollte; er hatte Angst. Es wurde kalt, und ein grelles Licht ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Er hörte ein lautes, markerschütterndes Geräusch. Bis er begriff, dass er selbst es war, der dieses Geräusch erzeugte – er schrie. Er schrie seine Verzweiflung und Angst heraus, über all das, was ihm hier widerfuhr. Er erinnerte sich plötzlich, dass das, was ihn hierher gebracht hatte auf die Erde, ein Ungleichgewicht war, welches in regelmäßigen Abständen diese unendliche Welt erschütterte – und so mussten immer wieder Teile dieser Welt sich in Körper zwängen, um eine Erkenntnis in dieser Welt aufrechtzuerhalten, damit das Gleichgewicht wiederhergestellt würde. Nur angepasst an die Begrenzung können wir lernen, die Unbegrenztheit weiterhin zu schätzen.

Indigor erwachte. Er spürte deutlich die Grenzen seines Körpers, aber er empfand sie nicht als solche, sondern als hilfreichen Schutz, um sich in seiner begrenzten Welt innerlich frei fühlen zu können.