Maja setzte sich aufrecht auf die Couch und sah ihrer Mutter offen in die Augen. »Was ich dir erzählen werde, ist wahrscheinlich nicht so einfach zu glauben, aber ich möchte, dass du mich anhörst, bis ich fertig bin.« Abwartend sah sie ihre Mutter an. Miriam nickte zustimmend und Maja begann zu reden.
Sie erzählte von Salomirs erstem Besuch in ihrem Kinderzimmer. Davon, dass sie seitdem jede Nacht in der Akademie verbracht hatte, um zu lernen. Sie berichtete von den Alchimar und der Aufgabe, der sie sich verschworen hatten. Auch von Alame erzählte sie, von dem Rat der Weisen und dem Gleichgewicht zwischen der Oberen und der Unteren Welt. Maja erzählte von der Gefahr, dass die Ordnung zwischen den Welten kippte und von den Anstrengungen, dies zu verhindern. Schließlich endete sie mit der Nacht in der Hütte im Wald und sah ihre Mutter aufmerksam an.
Miriam saß nur da, sie sagte kein Wort und starrte vor sich hin. Die Worte des Mädchens hatte sie zwar vernommen, aber kein Wort verstanden. Ihr kamen ernsthafte Zweifel an der Gesundheit ihres Kindes. Trotzdem konnte sie sich nicht gegen ein seltsames Gefühl in der Magengegend wehren, das ihr jedes Wort zu bestätigen schien.
Verwirrt versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Ein einziges, winziges Detail an Majas Geschichte hatte sie aufhorchen lassen. Die Beschreibung von Salomir, wie er in seinem weißen Hemd nachts an ihrem Bett erschienen war. Die Ähnlichkeit zu ihren eigenen Träumen war nicht wegzudiskutieren und trotzdem wollte Miriam nicht akzeptieren, dass auch nur ein Wort von dem, was Maja erzählte, wahr sein könnte.
Wenn aber alles nur der Fantasie eines siebenjährigen Mädchens entsprang, wie sollte sie sich die Übereinstimmung der Träume erklären? Oder die Tatsache, dass Maja ihr die Hände aufgelegt und sie sich schlagartig besser gefühlt hatte? Miriams Gedanken überschlugen sich fast, bemüht darum, eine überzeugende Erklärung zu finden, die nicht ganz so verrückt klang wie die Worte ihres Kindes.
Als hätte Maja die Gedanken ihrer Mutter gelesen, erklang plötzlich ihre ruhige Stimme. »Er heißt übrigens Milos.« Erschrocken blickte Miriam auf. »Der Mann, der dich heute Nacht besucht hat, dein Geistführer. Er heißt Milos.« Maja lächelte sie liebevoll an und Miriam ließ sich schwer in die Kissen der Couch fallen. Ihr Geistführer hieß also Milos. Das alles überstieg ihre Fähigkeiten.
»Mal angenommen, ich würde dir glauben. Wieso habe ich dann kein Wort verstehen können von dem, was er mir sagen wollte?« Das Grinsen ihrer Tochter ließ sie zusammenzucken. Ohne es zu merken, hatte sie zumindest eingestanden, dass sie diesen Traum gehabt hatte. Triumphierend knuffte Maja sie in die Seite. »Und wenn du mir nicht glaubst, wie erklärst du mir dann, dass du heute Nacht Besuch von einem Mann im weißen Hemd hattest?«
Beschwichtigend hob Miriam die Hände. »Das kann ich dir nicht erklären. Aber du musst schon zugeben, das ganze Gerede von der geistigen Welt, von heilenden Händen und dem alten Wissen hört sich ziemlich abgedreht an.« Fröhlich lachend warf Maja sich in die Arme ihrer Mutter, gönnte es sich einen kurzen Augenblick lang, wieder sieben Jahre alt zu sein. »Ja, aber jedes Wort ist wahr. Ist das nicht herrlich? Wir können so viel Gutes tun, soviel erreichen. Wir müssen es nur selbst wollen.«