Fionas Tagebuch: Neulich im Auto

Hey, liebes Tagebuch,

ich weiß, ich hab Dich sträflich vernachlässigt, und ich fürchte, das werde ich auch zukünftig wieder tun.

Aber ich muss unbedingt was aufschreiben, was ich heute erlebt habe.

Also, ich bin heute zu einer Ausstellung gefahren. Genauer gesagt, die Ausstellung beginnt erst in ein paar Tagen. Aber wir, das heißt CSE, machen da auch mit, und da mich grad meine Trainee-Laufbahn in die Marketing-Abteilung verschlagen hat, bin ich da hingefahren, um Plakate hinzubringen, die unsere Leute vergessen haben und um ein paar Details zu besprechen. In letzter Sekunde fragt mich dann noch Nick, ein Kollege, ob er mitfahren dürfe.
Wir sind mit meinem Wagen gefahren und irgendwann fragte ich ihn, ob es ihn störte, wenn ich rauche. Während ich mir eine Zigarette aus der Packung fischte und fast gleichzeitig den Zigarettenanzünder reindrückte.
„Eigentlich nicht“, antwortete er. „Allerdings scheint es dir sowieso egal zu sein.“
„Wieso denn?“
„Du hast doch die Zigarette schon im Mund.“
„Aber sie ist nicht angezündet. Oder siehst du sie glimmen?“
„Du hast den Anzünder auch schon reingedrückt.“
„Ja und? Außerdem ist es mein Auto. Du könntest ja das Fenster runtermachen, wenn es dich stören würde.“
„War ja klar.“ Er grinste, ich grinste zurück.
Ich zündete mir also die Zigarette an und rauchte vor mich hin, während wir über die Autobahn jagten. Da ich das Gefühl hatte, dass er sich deutlich anspannte, wenn wir uns der 200er Marke näherten, nahm ich etwas Gas weg.
Plötzlich er so: „Sag mal, kann ich dich was fragen?“
„Tust du doch schon.“
„Und noch was?“
„Klar.“
„Haben wir eigentlich schon mal miteinander geschlafen?“
Es kostete mich einiges an Selbstbeherrschung, um vor Überraschung keine Vollbremsung zu machen.
„Wie? Was?“
„Ob wir schon …“
„Habs ja verstanden! Wie kommst du auf diese Frage?“
„Na ja, ich würds halt gern wissen.“
„Und wieso weißt du es nicht? Ich meine, kriegst du es nicht mit, wenn du ein Mädchen vögelst?“
„Weiß ich nicht.“
„Wie, du weißt es nicht?“
„Na ja, wenn ich grad total besoffen bin, dann vergesse ich es vielleicht.“
„Hör mal, so besoffen könntest du gar nicht sein, um den Sex mit mir zu vergessen!“
„Ach ja? Heißt das, wir haben noch nicht …?“
„Wenn ich es nicht total vergessen habe, dann nicht.“
„Sagtest du nicht gerade, dass …?“
„Das ist was anderes. Du hättest den Sex mit mir nicht vergessen, egal wie besoffen du gewesen wärst. Umgekehrt gilt das nicht.“
„Ach so, gut zu wissen. Das nennt sich vermutlich Emanzipation oder so was.“
„Ja, genau.“
Und nach einer Weile: „Ich habe eine Idee.“
„Was denn?“
„Was hältst du davon, wenn wir das auf der Rückfahrt ausprobieren?“
„Was ausprobieren?“
„Ob ich es wirklich nicht vergesse, egal wie besoffen ich bin.“
Was hätte ich denn dazu sagen sollen? Mit meinen 22 Jahren habe ich ja jede Menge Anmachsprüche erlebt, aber keiner war auch nur annähernd so charmant wie dieser. Zumal ich ihm wirklich geglaubt habe, dass es nicht geplant war. Und dass ich kein Kind von Traurigkeit bin, das wissen die ja bei CSE. Sobald die nicht mehr ständig daran denken, dass ich die Tochter des Chefs bin, benehmen sie sich ganz normal.
Okay, manchmal sind es auch nicht die Kollegen, sondern … Hey, Tagebuch, das weißt jetzt aber nur Du, okay? Aber der Juniorchef der Werbefritzen, die unsere Kampagne zum Betriebssystemupdate entworfen haben … So, keine Details. Wenn mein Vater das hier findet, nicht auszudenken …