Natascha Huber

In meiner Heimat, der Dreiflüssestadt Passau, fließen Inn, Ilz und Donau an einem Punkt zusammen, um dann nach Tausenden von Kilometern gemeinsam ins Schwarze Meer zu münden.
In diese Topographie wurde ich 1986 hineingeboren, sozusagen in diese Vorwärtsbewegung Richtung Meer. Ob sich daraus etwas ablesen lässt, weiß ich nicht, aber meine Affinität zu Wasser war seit früher Kindheit vorhanden und brachte mich mit 15 auch zu meinem ersten Gedicht. Als mein Deutschlehrer uns „Mein blaues Klavier“ von Else Lasker-Schüler zur Interpretation vorlegte (auch hier findet man im Übrigen, wenn auch metaphorisch, ein Boot), wollte ich unbedingt die Liebe, das Schillern dieser Person und ihrer Sprache greifen und begann selbst zu schreiben, das Element Wasser in allen Formen immer im Zentrum.

Nach dem Schulabschluss ging mein Schreiben aber in Arbeit unter, meine Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem 5-Sterne Hotel nahm alle Zeit in Anspruch und war auch kein Ort der Sprache, ich empfand sie eher als Koordinatenpunkt von Lüge und Gefälligkeit. Somit habe ich nach weiteren 7 Jahren in der Hotellerie, zuletzt als Rezeptionsleitung, die Segel gehisst und bin ausgebrochen und aufgebrochen, um mich selbst zu finden.

Ich kam nach Frankenthal, begann dort eine Ausbildung zur Piercerin in einem Tattoostudio und mich so zu verwirklichen, wie ich mich im Spiegel immer gesehen hatte. Es war ein Zurück zu mir in dieser Bewegung – und im Konflikt mit der Außenwelt, der sich nicht vermeiden ließ, ein Zurück zur Sprache. So entstand 2012 mein „erstes“ Gedicht, das den bezeichnenden Titel „Zirkus“ trägt. Seitdem bin ich dabei geblieben, mich selbst und die Menschen um mich herum in meiner Sprache zu suchen; ich frage, ich kommuniziere, hoffe auf ein Ich, auf ein Du, in dem ich es anspreche, indem ich es bebildere, befühle, fordere, zu nahe trete, liebe. Ich fühle mich real, wenn mich all diese Augenblicke fluten, ich die Grenzen von Nähe und Distanz sprenge, Zwischenmenschliches fixiere; immer mit der einen Leerstelle im Blick: Die Bruchstelle der eigenen Wahrnehmung und zwischen den Menschen. Und manchmal fühle ich mich dabei meiner geliebten Else Lasker-Schüler gar nicht so fremd.

Seitdem hat sich viel getan: Ich bin 2. Vorsitzende des Literarischen Vereins der Pfalz, seit 2015 Mitglied der Darmstädter Textwerkstatt unter der Leitung von Kurt Drawert, im selben Jahr wurde ich mit dem Lyrischen Lorbeer in Gold ausgezeichnet, 2016 erhielt ich das Merck-Stipendium, 2017 bin ich einer der Finalisten beim Literarischen März und lese um den Leonce-und-Lena-Preis. Meine Gedichte bleiben für mich eine Reise zum Gegenüber, die niemals enden wird.

Die Nacht trägt Flutsplitter aus Malachit